Wenn man sich den Vorschlag des Bundeswirtschaftministeriums noch mal genauer ansieht, so wie er im Spiegel wiedergegeben wurde, muss man daran zweifeln ob den Herren und Damen im Ministerium, das zuletzt formulierte Kohleausstiegskonzept inhaltlich überhaupt vertraut ist.
Um Datteln IV doch noch ans Netz zu kriegen, sollen dem Vernehmen nach ältere Meiler „in Herne und Gelsenkirchen, die einen Wirkungsgrad von unter 40 Prozent haben“ stillgelegt werden. Das hört sich erstmal gut an, aber der Gedankenfehler liegt hier nicht im Detail sondern im Offensichtlichen:
Stellt man Datteln IV 2020 ins Netz, produziert das Kraftwerk bis zum Abschalten in 2038 jährlich sechs Millionen Tonnen CO2, summa summarum also 108 Millionen Tonnen CO2.
Dies allerdings nur rein theoretisch, denn in Wahrheit wird der Schadstoffausstoß erheblich höher liegen. Bekanntlich war der Hersteller nicht in der Lage, den sogenannten Superstahl T24 schweißtechnisch korrekt zu verarbeiten und hat so viele Risse in die Schweißnähte eingebaut, dass der komplette Austausch des Kesselstahl durch einen minderwertigeren wirtschaftlicher erschien als die Sanierung des alten. Dies hat nun zur Konsequenz, dass sämtliche Berechnungen hinsichtlich Wirkungsgrads der Anlage, Leistung des Kraftwerks, Emissionen gesamt sowie bezogen auf die angrenzenden Wohn- und Umweltschutzgebiete, hinfällig wurden.
Neuere Nachweise hat der Betreiber bislang nicht geliefert, wahrscheinlich aus gutem Grund, denn mit dem Einbau des konventionellen Kesselstahls T11 reduzieren sich die Drücke und Temperaturen mit denen die Anlage gefahren werden kann, woraus folgt, dass der Wirkungsgrad nicht nur nicht unerheblich reduziert wird, sondern demzufolge die Emissionen je produzierter Kilowattstunde rapide steigen.
Okay, vielleicht kann man diese technischen Hintergründe von einem Ministerium, was sich den wirtschaftlichen Dingen verschrieben hat, nicht erwarten. Man sollte aber zumindest annehmen können, dass sie ihre Hausaufgaben machen und mal Nachlesen was in dem Kompromisspapier so steht:
Auf Seite 40 kann man beispielsweise nachlesen:
„In vielen Städten werden bis 2022 bestehende KWK-Kraftwerke auf Kohlebasis durch neuere, CO2-.ärmere Anlagen ersetzt (zum Beispiel in Kiel, Cottbus, Chemnitz, Frankfurt (Oder), Herne [!], Hürth).“
Ups, Herne? Der CO2-Ausstoß in dem STEAG-Kraftwerk beträgt dort 4,51 Millionen Tonnen pro Jahr. Wenn das Teil 2022, wie von der Kommission vorgesehen, abgeschaltet wird, dann dann hat es gerade mal ein Zehntel an Schadstoffen produziert, von denen wir mit Datteln IV konfrontiert wären, geht dieses ans Netz.
In Herne plant der Betreiber STEAG zudem bis 2022 ein Gaskraftwerk zu installieren, von dem man grundsätzlich weiß, dass diese Kraftwerkstypen über den Daumen „nur“ rund 50 Prozent ihrer giftigen Substanzen gegenüber der Schwarzkohlefraktion emettieren.
Von dem Kraftwerk in Gelsenkirchen-Scholven, wo sowieso schon mehrere Blöcke stillgelegt wurden, kann man sich schon rein technisch gar nicht vorstellen, dass es die nächsten Jahre überlebt, so alt ist das Kraftwerk, was in diesem Zusammenhang allerdings völlig egal ist, da es sowieso jährlich weniger Schadstoffe ausstößt als Datteln IV, nämlich rund zwei Drittel von dessen theoretischem Wert.
Mmh, denkt sich da die interessierte Leserin, der interessierte Leser: Ob wir da wohl verschaukelt werden sollen? Man kann nur hoffen, dass die Bundes-Grünen nicht so einknicken werden wie die NRW-Grünen, mit deren Zustimmung zum Zielabweichungsverfahren in 2013 der Weiterbau dieser Schrottimmobilie erst möglich wurde.
Aber angesichts der Tatsache, dass neben den Klagen der Stadt Waltrop, denen der Vertreter*innen der angrenzenden Meistersiedlung sowie des BUND, der allein auf drei Ebenen gegen Datteln IV juristisch vorgeht, um die unmittelbare gesundheitlichen Belastung der Menschen in den angrenzenden Wohnsiedlungen und die Gefährdung der benachbarten Umweltschutzgebiete, wie die Lippeauen, zu verhindern, was das Betreiben von Datteln IV sehr unwahrscheinlich erscheinen lässt, stellt sich schon die Frage, welche Absicht hinter diesem Vorstoß steckt:
Geht es in Wirklichkeit lediglich auf höhere Ebene um das Geschachere für eine bessere Abfindung und das Bundesministerium macht sich dafür zum Büttel der Industrie?
Man weiß nicht ob die Sache ernst gemeint oder man einem üblen Scherz aufgesessen ist. Vertrauenswürdiger werden darüber weder Politik noch ihre Vertreter*innen. Es macht nur deutlich: Datteln IV macht überhaupt keinen Sinn.
Und jedes Gramm CO2 was zusätzlich ausgestoßen wird und unsere Atmosphäre weiter anheizt, muss jedem umweltbewussten Menschen zu viel erscheinen, wenn man die Zukunft der Kinder mitdenkt. Das hat man im Wirtschaftsministerium anscheinend verdrängt.