Super-GAU für Waltrop

Fast ist man ja geneigt unserer Bürgermeisterin Nicole Moenikes zuzustimmen, wenn sie den anwesenden Journalist*innen in die Notizblöcke diktiert: 

„Meine Bitte war, diese Straße in einem Zug bis zum Autobahnkreuz Dortmund-Nordwest durchzubauen.“ 

Denn glaubt man den Ausführungen vom ebenfalls beim Spatenstich (04. Oktober 2019) anwesenden Ministerialdirigenten Gerhard Rühmkorf vom Bundesverkehrs-Ministerium, wonach „allein das Dattelner Teilstück die B 235 durch Datteln um rund ein Drittel des aktuellen Verkehrs entlasten“ wird, dann zeichnet sich da für Waltrop ein verkehrstechnischer Super-GAU ab.

Laut Angaben des NRW-Verkehrsministeriums wird die B235 nämlich täglich von 20.500 Fahrzeugen frequentiert. Ein Drittel davon sind in diesem Szenario rund 7.000 Fahrzeuge pro Tag mehr, die dann zusätzlich die L609 befahren. Die Verkehrsbelastung auf der Leveringhäuser Straße würde somit schlagartig von aktuell 16.500 KfZ/24h auf über 23.000 Fahrzeuge pro Tag ansteigen. Ein Horrorszenario für alle Anwohner*innen, von denen jetzt schon nach aktuellem Lärmaktionsplan:

„65 Menschen tags und 95 Menschen nachts oberhalb der Auslöseschwelle für Gesundheitsschädigung von vorhandenen Straßenverkehrslärm betroffen sind“.

Nachteile übersteigen den Nutzen

Würde sich durch das Dattelner Teilstück der Verkehr auf der L609 um mehr als 40 Prozent steigern, dann ist das nicht nur keine Kleinigkeit sondern macht sehr deutlich, dass der von unserer Bürgermeisterin gefeierte Spatentisch Waltroper Interessen absolut widerspricht. Vielmehr müsste sie im Interesse der Stadt dafür eintreten, dass das Dattelner Teilstück erst dann in Betrieb genommen wird, wenn auch die B474n im übrigen Streckenverlauf realisiert werden kann. 

Dies ist allerdings noch gar nicht abzusehen, da sich die Planung hierfür noch in der Entwurfsphase befindet und außer, dass die Stadt Castrop-Rauxel das Projekt ablehnt, weil die Nachteile den Nutzen der Straße übersteigen und für die Menschen „die großdimensionierte Straße in der derzeitigen Planung umfangreiche Beeinträchtigungen“ mit sich bringt, haben rund 400 weitere Betroffene Einwände erhoben.

Kann weg – Fehlplanung – Brücken-Widerlager für die B474n 
Foto: Bernd Schäfer

Nun kennt man aber in den Ministerien offensichtlich nicht die eigenen Zahlenwerke, denn nach den Prognosen des im Auftrag des NRW-Verkehrsministeriums arbeitenden Ingenieurbüros IVV aus Aachen und Berlin, führt die B474n nach Gesamtfertigstellung zu einer Reduzierung des Verkehrs auf der B235 um lediglich etwa sieben Prozent auf zukünftig 19.000 Fahrzeuge pro Tag. Ein für die Anwohner*innen zu vernachlässigender Wert, da das subjektive Empfinden und der messbare Erfolg, der Verkehr würde abnehmen, erst bei einer Entlastung von 20 Prozent beginnt.

Gleichfalls wird verschwiegen, dass mit der B474n der Verkehr in Waltrop – nach gleichem Zahlenwerk aus dem Ministerium – um rund neun Millionen Fahrzeuge pro Jahr zunehmen wird, weil mit ihr das umstrittene Industrieprojekt newPark in den Rieselfeldern realisiert werden kann. Ein weiterer Grund also, warum man aus Waltroper Sicht nichts zu lachen hat, und schon gar nicht im Zusammenhang mit den aktuellen Diskursen um die fortschreitende Umweltzerstörung und der nicht mehr zu leugnenden Klimakrise, die ganz andere Mobilitätskonzepte erfordern.

Weitere Gesundheitsschädigungen der Anwohner*innen stoppen

Denn mit der Verlängerung der A45 werden nicht nur Natur und Naherholungsgebiete massiv zerstört: allein durch die Trasse wird eine Fläche von 42,4 ha, was etwa 60 Fußballfeldern entspricht,  unterm Asphalt begraben. Waltrop wird außerdem perspektivisch nicht in der Lage sein, das Ziel einer klimaneutralen Stadt zu erreichen. Keine guten Aussichten – insbesondere für die Jugend unserer Stadt, die zukünftig die Lasten tragen muss.

Da die Befürworter*innen mit ihrem symbolischen Spatenstich deutlich gemacht haben, dass sie an einem tradierten Verkehrskonzept festhalten wollen, kann es jetzt nur darum gehen, den angerichteten Schaden zu begrenzen. Mit Tempo 30 und einem Nachtfahrverbot für LKWs auf dem Waltroper Teilstück der L609, zum Beispiel. Das reduziert den Lärmpegel sowie die Feinstaubbelastung für die Anwohner*innen und verbunden mit einer intelligenten Ampelführung erhöht es sogar den Verkehrsfluss. 

Außerdem muss das Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs massiv verbessert werden, damit die politisch formulierte Verkehrswende gelingen kann und kein Lippenbekenntnis bleibt. Und selbstverständlich ist der Weiterbau der B474n auf Waltroper und Castroper Gebiet aus den planerischen Entwürfen zu streichen.

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