Planungen für die B474n Planung stoppen

Die Inbetriebnahme der B474n wird nahezu eine Verdoppelung der CO-Emissionen gegenüber dem jetzigen Ist-Stand führen. Grund hierfür ist das durch die Straße verursachte zusätzliche Verkehrsaufkommen auf Waltroper Gebiet. 

Straßen NRW prognostiziert folgende Zuwächse an Verkehr auf der B474n und L609: 

  • 8,8 Millionen Fahrzeuge beim Bau des Industriegebietes „New Park“
  • 8,33 Millionen Fahrzeuge ohne den Bau des Industriegebietes „New Park“

Dementsprechend wächst der jährliche Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen auf geschätzten 9003 Tonnen CO2 bzw. 8551 Tonnen CO2 gegenüber dem  jetzigen Stand von 4717 Tonnen CO2.

Einleitung

Im September 2016 wurde für den sogenannten Waltroper Abschnitt der projektierten B474n das Planfeststellungsverfahren beantragt. Von Anfang November bis Anfang De­zember 2016 lagen die Planunterlagen des NRW-Straßenverkehrsministeriums öffentlich aus und bis zum 20. Dezember 2016 konnten Bürger*innen Einwendungen gegen die Pla­nung bei der zuständigen Bezirksregierung in Münster erheben, wo von rund 400 Bür­ger*in­nen Gebrauch machten. Bescheide hierzu werden Mitte 2020 erwartet.

Mit der Offenlegung der Planungsabsichten wurde nun erstmals öffentlich, wie die B474n verlaufen und welche Dimensionen sie annehmen soll. Seit 2004 wurden insgesamt vier Varianten diskutiert, bis schlussendlich der Version mit der direkten Anbindung des Kohle­kraftwerks Datteln IV der Vorzug gegeben wurde.

Die jetzige Version verläuft von Süden nach Norden über Castrop-Rauxeler, Waltroper und Dattelner Stadtgebiet und tangiert planungsrechtlich im Bereich des Autobahnkreuzes A2/A45/B474n die Stadt Dortmund und den Regierungsbezirk Arnsberg. Die Hauptfahr­bahn der A45 soll vom Autobahnkreuz hinausgehend bis zur Recklinghäuser Straße vier­spurig ausgebaut werden. Ab der Recklinghäuser Straße (L511) soll die B474n zunächst zur Löhringhofstraße (K14) zweispurig parallel verlaufen, bis sie kurz vor dem Kohlekraft­werk nach Osten schwenkt, um bei Baukilometer 7+770,000 an die Münsterstraße (L609) und dem vorgesehenen Dattelner Teil der B474n anzuschließen. Die Baustrecke hat somit eine Gesamtlänge von 8,32 km, wovon – berücksichtigt man das Dattelner Teilstück- etwa 7,5 km über Waltroper Stadtgebiet verlaufen.

Die B474n wird im gesamten Planungsbereich als autobahnähnliche Kraftfahrstraße kon­zipiert und „stellt eine unmittelbare Fortführung der an der A2 im AK DO-NW endenden A45 (Dortmund – Aschaffenburg) nach Norden dar“[1]. Eine Querung für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen oder gar für den Wildwechsel ist nicht vorgesehen. Ebenso wenig wird der öffentliche Personennahverkehr in das Konzept integriert. Eine Anbindung an das vorhandene Straßennetz erfolgt über die Viktorstraße, die Recklinghäuser Straße, in der Höhe des Kohlekraftwerks an die Löhringhofstraße und an der Stadtgrenze zu Datteln an die Münsterstraße. 


[1]
  [1]Laut Erläuterungsbericht zur Planfestellung von Straßen.NRW vom 15.07.2016

Bis zur Recklinghäuser Straße wird die B474n vierspurig geplant. Hier erhält sie eine  Kro­nenbreite von 20 m. Bei einer Dammlage von bis zu 10 m über Gelände und einem Bö­schungs­winkel von 1:1,5 wird somit eine bis zu 50 m breite Schneise durch die Landschaft getrieben. Ab der Recklinghäuser Straße soll die B474n zweispurig fortgeführt und erhält für das prognostizierte hohe LKW-Aufkommen eine Kronenbreite von 11 m. Zum Lärm­schutz sind bis zu 3 m hohe Lärmschutzwände und -wälle vorgesehen. 

Der vorliegende Planfeststellungsabschnitt sieht den Bau von insgesamt 15 Brücken vor sowie eine Neuversiegelung von 42,4 ha Fläche (entspricht etwa 60 Fußballfeldern), zu­sätz­lich baubedingte Beeinträchtigungen von 12,2 ha (17 Fußballfelder) sowie die Be­ein­trächtigung angrenzender Flächen von 40,7 ha (57 Fußballfelder).

In nahezu ihrem gesamten Verlauf durchquert die B474n Landschaftsschutzgebiete. Mit dem Leveringhäuser Teich und der Mengeder Heide tangiert die Trasse zudem zwei Na­tur­schutzgebiete mit wertvollen Biotopen. Darüber hinaus befinden sich innerhalb des Pla­nungsraumes fünf weitere Gebiete mit insgesamt 574 ha, die im Rahmen der Aufstellung des Landschaftsplans „Ost-Vest“ einstweilig zur Ausweisung als Naturschutzgebiete ge­mäß § 23 BNatSchG sichergestellt wurden: Uhlenbrocks Busch und Hoheholz, Niederholz, Deipe und Löringhof, Ickersche Heide / Lohburg sowie die Mengeder Heide.

Das Verkehrsaufkommen im Vergleich

In ihrer Verkehrsuntersuchung zur B474n hat die Ingenieurgruppe IVV Aachen/Berlin[1]im Auftrag des dem NRW-Verkehrsministeriums unterstellten Landesbetrieb Straßenbau NRW verschiedene Szenarien entworfen, wie sich der Verkehr in Waltrop bis 2025 ent­wickeln wird, unter Berücksichtigung der Industrialisierung der Rieselfelder durch den so­genannten newPark.

Die Ingenieurgruppe kommt zu dem Schluss, dass in diesem sogenannten Prognose-Mit-Fall, auf der B474n von Süden nach Norden abnehmend, im Jahr 2025 „Verkehrs­belastun­gen von 28.000 bis ca. 20.900 Kfz DTV[2]zu verzeichnen [sind]. Die Verkehrsbelastung auf der L 609 in der Ortsdurchfahrt Waltrop [Mengeder Straße] wird zukünftig nur noch knapp 15.000 Kfz DTV betragen“[3].


[1]
   [1]Verkehrsuntersuchung zur B474n der Ingenieurgruppe IVV Aachen/Berlin vom 07.10.2014

[2]
   [2]DTV = Durchschnittlich täglicher Verkehr

[3]
   [3]ebd. S. 27

Um ihre Simulation vergleichen zu können, geht das Ingenieurbüro von einem Analyse-Null-Fall aus und bezieht sich dabei auf eine Verkehrszählung von 2013. Demnach betrug das Verkehrsaufkommen auf der L 609 in der Ortsdurchfahrt Waltrop „bis zu knapp 19.000 Kraftfahrzeuge im durchschnittlichen täglichen Verkehr über alle Tage des Jahres (Kfz DTV)“[1]und an der Stadtgrenze zu Datteln immer noch 9.300 Fahrzeuge.

In einer sogenannten Sensivitätsbetrachtung entwickelt IVV zudem noch die Verkehrs­belastung für den Fall, dass der newPark nicht gebaut werden sollte und stellt für den Fall ohne B474n fest, dass „die Verkehrsbelastung auf der L 609 in der Ortsdurchfahrt Waltrop zukünftig fast 19.000 Kfz DTV betragen“[2]wird. Im Norden an der Stadtgrenze zu Datteln beträgt das Verkehrsaufkommen demnach 11.900 Fahrzeuge.

Auch für diese Sensivitätsbetrachtung hat das IVV das Verkehrsaufkommen für 2025 bei gleich­zeitiger Realisation der B474n prognostiziert. Auf der B474n beträgt das Verkehrs­auf­kommen demnach von Süden nach Norden abnehmend von 27.000 zu 19.900 Fahr­zeugen und auf der L609 in gleicher Richtung abnehmend von 13.900 zu 7.900 Fahr­zeu­gen. Laut IVV nimmt die Belastung auf den angebundenen Straßen L511, L645 sowie K14 durch den Bau der B474n leicht zu. 

Um beurteilen zu können, ob die B474n für Waltrop einen Nutzen bringen könnte, sind letztendlich aber nur drei Fälle relevant:

  1. Der Istzustand.
  2. Die Verkehrssituation, wenn die B474n gebaut und der newPark realisiert wird.
  3. Die Verkehrssituation, wenn die B474n gebaut und der newPark nicht realisiert wird.

Im Nachfolgenden werden diese Situationen gegenübergestellt und exemplarisch, anhand ver­schiedener relevanter Stichpunkte, miteinander verglichen, und zwar für die Verkehrs­belastungen in den Jahren 2013 und 2025 auf der 

  • L609 beim Ortseingang auf der Mengeder Straße, auf der Leveringhäuser Straße im nördlichen Teilstück, auf der Berliner Straße an der Stadtgrenze zu Datteln,
  • K14, hier die Ickener Straße / Franzstraße,

[1]
   [1]ebd. S. 15

[2]
   [2]ebd. S. 32

  • L511, einmal auf der Recklinghäuser Straße stadtauswärts in der Höhe des Autohandels und auf der Berliner Straße direkt hinter der Kreuzung mit der L609.

und für das Jahr 2025 auf der 

  • – B474n am südlichen Ortseingang, an dem Kreuz mit der K14, nach der Kreuzung mit der Recklinghäuser Straße und an der Stadtgrenze zu Datteln.

Laut der Umweltverträglichkeitsstudie zum Neubau der B474n im Auftrag des Landes­betriebs Straßenbau NW[1]sind für „eine spürbare Lärm- und Schadstoffentlastung […] durch­schnittliche Entlastungseffekte von mehr als 40 % erforderlich“. Eine spürbare Ver­besserung der Verkehrsabläufe lässt sich zudem erst ab Entlastungseffekten von mehr als 20 % nachweisen[2].

Diese Anforderungen werden allerdings in keinem Fall erfüllt. Lediglich am südlichen Stadt­rand auf der Mengeder Straße lässt sich ein Rückgang des Verkehrsaufkommen von mehr als 20 % prognostizieren. Auf den für die Anwohner*innen relevanten verkehrs- und lärmintensiven Abschnitten der L609, wie der Leveringhäuser Straße, wird durch den Bau der B474n keine signifikante Entlastung erzielt, und dies völlig unabhängig davon, ob der newPark gebaut wird oder nicht. Laut oben genanntem IVV-Gutachten betrug das Ver­kehrs­aufkommen in 2013 auf der Leveringhäuser Straße 16.500 Fahrzeuge pro Tag. Prog­nostiziert werden für den Fall, dass B474n und newPark gebaut werden 15.000 KfZ/24h und selbst wenn der newPark nicht realisiert werden sollten, tritt mit der B474n für die Anwohner*innen keine relevante Entlastung der Verkehrs- und Lärmsituation ein.


[1]
  [1]Kurzfassung der UVS Teile 1- 3 Froelich & Sporbeck Bochum 12/2001, S. 12

[2]
  [2]ebd.

Auffallend ist, dass im sogenannten Prognose-Mit-Fall das Verkehrsaufkommen auf der K14 erheblich steigen soll, was im Gutachten nicht weiter kommentiert wird. Zum Ver­gleich wurde zusätzlich noch die Verkehrssituation auf der L511 in östlicher und westlicher Richtung mit einbezogen. Hier zeigen sich keine weiteren Auffälligkeiten.

Dagegen steigt das Verkehrsaufkommen durch die B474n exorbitant, und zwar völlig un­abhängig davon, ob die Rieselfelder industrialisiert werden oder nicht. Im ersten Fall wer­den an der südlichen Stadtgrenze Waltrops auf der B474n täglich 28.000 Fahrzeuge er­war­tet. Wird der newPark nicht gebaut, sind es immerhin noch 27.000. Dies führt im ersten Fall zu einem zusätzlichen Verkehrsaufkommen von 8,80 Millionen Fahrzeugen und im zwei­ten zu 8,33 Millionen KfZ pro Jahr.

CO2-Emissionen im Vergleich

Der  Rat der Stadt Waltrop in seiner 36. Sitzung am 9. Juli mehrheitlich festgestellt, dass „die globale Klimakatastrophe auch die Stadt Waltrop erreicht hat.“ Bislang blieb dieser Beschluss allerdings folgenlos. Im Nachfolgenden wird deshalb aufgezeigt, wie durch den Verzicht auf die B474n höchstes Einsparpotential bei klimaschädlichen Gasen generiert werden kann.

Im nachfolgenden werden die Verkehrszahlen aus dem IVV-Gutachen an den markanten Messpunkten gegenübergestellt und miteinander verglichen. Und zwar für die L609 und B474n im gesamten Waltroper Stadt, einmal bezogen auf den Ergebnissen der Verkehrszählung von 2013, dem Prognose-Mit-Fall für 2025 bei Realisierung des new­Park und der B474n sowie für die Sensitivitätsbetrachtung, für den Fall, dass die B474 ge­baut werden kann und die Industrialisierung der Rieselfelder verworfen wird.

Für die Di­men­sionierung des CO2-Ausstoßes werden die europäischen Grenzwerte für den Gesamt­flottenverband herangezogen, und zwar je nach Untersuchungsfall für das Jahr 2015 so­wie für die zukünftige Entwicklung den des Jahre 2021.Seit dem Jahr 2009 sind Personenkraftfahrzeuge in der EU einer CO2-Regulierung unter­worfen. Der durchschnittliche Ausstoß aller neu zugelassenen Fahrzeuge eines Herstel­lers darf demnach einen gesetzlich fixierten Grenzwert in Gramm CO2pro Kilometer in einem Jahr nicht überschreiten.

Für Pkw galt zunächst ein Ziel von 130 g/km für das Jahr 2015. Dieser Wert wird bis 2021 auf 95 g/km abgesenkt. Mit dieser CO2-Regulierung wird kein europäischen Einheitswert gesetzt, sondern berücksichtigt grundsätzlich die unter­schiedlichen Produktpaletten der Konzerne. So muss nicht jeder einzelne Hersteller den europäischen Gesamtflottenwert von 95 g/km. Vielmehr wird für jeden Hersteller ein spe­zi­fischer Grenzwert errechnet, der auf dem durchschnittlichen Fahrzeuggewicht der Her­stel­lerflotten beruht. Im Durchschnitt aller Hersteller ist damit statistisch sichergestellt, dass der europäische Flottenwert erreicht wird.[1]Mit diesen Werten wird hier weiter verfahren. Sie sind zwar einmal idealtypisch und keine eins zu eins Abbildung der Wirklichkeit, sie erlauben jedoch einen relativen[!] Vergleich der Emissionen. Ferner werden nicht berück­sichtigt, das Emissionsverhalten und ihr Anteil am Verkehr von leichten Nutzfahrzeugen und LKWs sowie weitere Parameter nach dem Handbuch für Emissionsfaktoren für Straßen­verkehr (HBEFA)[2]wie zum Beispiel Emissionsfaktoren für Kaltstarts, Abstell­vor­gän­ge, Verdunstungsemissionen oder den jeweiligen Einfluss der Umgebungs­tem­pe­ra­tu­ren. Das würde den Rahmen hier sprengen


[1]
   [1]vgl.: https://www.vda.de/de/themen/umwelt-und-klima/co2-regulierung-bei-pkw-und-leichten-nfz/co2-regulierung-bei-pkw-und-leichten-nutzfahrzeugen.html[09.11.2019]

[2]
   [2]https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2546/dokumente/faqs_hbefa.pdf[09.11.2019]


Selbst für den Fall, dass der newPark nicht gebaut werden sollte, ergibt sich somit eine Er­hö­hung des CO2-Ausstoßes um 80 Prozent auf 8.551,44 Tonnen pro Jahr.

Schlussbemerkung

In seinem Erläuterungsbericht[1]betont das Verkehrsministerium die frühe Öffentlich­keits­beteiligung des Landesbetriebs Straßenbau NRW und führt unter anderem die von der Stadt Waltrop in 2008 durchgeführte Bürgerbefragung, „bei der sich 78% der wahl­berich­tigten Waltroper (bei 57% Wahlbeteiligung) für eine nach Westen abgerückte Trassen­füh­rung aussprachen.“

Hierzu ist anzumerken, dass rund 55 Prozent der Befragten sich demnach nicht für das damalige Projekt ausgesprochen haben. Warum auch immer. Vielleicht war es ihnen egal, vielleicht konnten sie sich noch keine Meinung bilden, andere wiederum waren dagegen – wie auch immer – aus dieser Befragung allerdings zu konstruieren, dass sich eine wie auch immer große Mehrheit in Waltrop für den Bau der B474n aussprechen würden, ist vor allen Dingen vor dem Hintergrund der aktuellen Umwelt- und Klimadiskurse äußerst fraglich. 

Unabhängig davon, dass die umwelt- und selbstzerstörerischen Dimensionen der B474n auf Waltroper Gebiet erst jetzt deutlich werden und hier ganz konkret die nachfolgenden Generationen die Lasten zu tragen haben, was Jahrzehnte vorher beschlossen wurde.

Es wird deshalb Zeit die ehemals getroffenen Beschlüsse zu revidieren und sich dem Ca­strop-Rauxeler Rat anzuschließen, der das Projekt ablehnt. Die Nachteile übersteigen in der Abwägung den Nutzen der Straße. Für die Menschen bringt das großdimensionierte autobahnähnliche Bauwerk umfangreiche Beeinträchtigungen mit sich. Es zieht sich wie eine acht Kilometer lange Mauer durch Waltrop und torpediert die Klimaschutzabsichten Waltrops.


[1]
  [1]Erläuterungsbericht zur Planfeststellung für den Neubau der B 474n Ortsumgehung Waltrop von Bau-km 0-550.000 bis Bau-km 7+770.000 vom 15.07.2016

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